Etwa zu der Zeit der neuen Wilden, begann der Österreichische Alfred Biber sein schwer einordenbares Werk der Kombination verschiedener
Malauffassungen. Ist er im Detail nicht einordenbar, steht er eindeutig in der expressiv, erotischen Tradition der Wiener Jahrhundertwende.
Ich denke an Freud, Schiele, Kokoschka und Schönberg. Sicherlich hat ihn auch der Wiener Aktionismus geprägt.

„Jahrelang haben mich die Bilder attackiert, jetzt schlage ich zurück."
Hier spricht die heiligzornige Wut eines Monomanen, eines Einzelgängers, der abgründige Ernst eines Verbrechers assoziiert sich. Was geht hier vor?
Bilder der Geschichte, der Kunstgeschichte, um nicht zu sagen der Bewusstseinsgeschichte, religiöses und erotisches wird vorerst beiläufig auf die
weiße Leinwand mit seiner Malschrift kopiert. Danach wird er zum Mörder seines Bildkaleidoskops. Mit Waffengewalt und messerscharfer Klinge
seines Degens, seines Schwertes zersäbelt, zerschneidet er wollüstig alles dargestellte Fleisch. Farbe wird zum imaginären Blut, das überall herumspritzt
und sich verschmiert. Er wagt immer wieder den Angriff auf das bereits bildlich fixierte. Er wird zum Bilderstürmer, er annulliert die Bildsprache des Mythos
der christlichen Kirche, der beiden Testamente, er inszeniert einen Bilderstreit, vollzieht den Bilderstreit der Kunstgeschichte: Gegenstand oder nackte
Abstraktion in Augenblicken nach.
„Meine erste Lösung: die dionysische Weisheit. Lust an der Vernichtung des Edelsten und am Augenblick, wie es schrittweise ins Verderben gerät: als Lust
am Kommenden, der Zukünftigen, welches triumphiert über das noch so Gute. Dionysisch: zeitweilige Identifikation mit dem Prinzip des Lebens
( Wollust des Märtyrers inbegriffen)." (Friedrich Nietzsche) Biber ist der dionysische Zerstörer, er will das Fleisch annullieren, um ein noch lebendigeres,
sich heftig gebärdendes Fleisch entstehen zu lassen. Die Auferstehung des Fleisches ereignet sich. Es entsteht gestische spontane Malerei.
Das Zerstörte bleibt aber zudem Teil des Gestaltungsprozesses.Ich sehe bei Biber nur äußerlich die Zerstörung: viel mehr demonstriert sich eben
jener Prozess des Werdens, der Aufbau und Zerstörung integrierend, das Ergebnis bedeutet. Soviel über die anspruchsvolle Thematik Bibers, die er formal
zu realisieren imstande ist.Zum Abschluss möchte ich gerne auf die innere malerische Qualität von Bibers Arbeiten hinweisen.
Die gegenständliche Untermalung ist oft beiläufig und entspricht dem Wahrnehmen von Phänomenen. Aber die existentielle, kraftvoll, oft wütende Übermalung
entspricht dem Zustand Sein. Im eigentlichen Malprozess ist alles enthalten, monumentale heroische Gesten, Architekturbögen des Zusammenbruches und
sensible empfindvolle Regungen von Malerei jenseits der Stilrichtungen. Es gibt Bilder von Biber, wo tatsächlich sensibel gemaltes Fleisch des gegenständlichen
Grundes sich vermischt mit dem lebendigen Fleisch und der Befleckung der Übermalung. Untermalung und Übermalung werden Eins, eine Synthese entsteht.
Diese Bilder leuchten besonders und strahlen, stellen das über den Tod hinausgehende Leben dar.

Hermann Nitsch